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' Mit brennender Geduld'

Lyrik und Prosa von Antonio Skármeta und Pablo Neruda
gelesen von Rudolf Guckelsberger

 

Skármeta

„Ich komme wegen des Aushangs“, verkündete er mit einem Lächeln, das es mit dem von Burt Lancaster aufnehmen konnte.„Haben Sie ein Fahrrad?“ fragte der Postbeamte verdrießlich.Marios Herz und seine Lippen sagten einstimmig: „Ja.“ „Na gut“, sagte der Postbeamte und putzte sich die Brille. „Es handelt sich um die Stelle des Briefträgers für Isla Negra.“ „So ein Zufall“, sagte Mario, „ich wohne gleich nebenan, in der Bucht.“ „Das ist ganz gut; aber wohl nicht so gut ist, dass es dort nur einen Kunden gibt.“ „Nur einen?“ „Ja, nur einen. In der Bucht wohnen sonst nur Analphabeten. Die können nicht einmal eine Rechnung entziffern.“
„Und wer ist der Kunde?“
„Pablo Neruda.“
aus: Antonio Skarmeta: Mit brennender Geduld

Antonio Skármetas weltberühmter Roman „Mit brennender Geduld“ ist eine Hommage an den größten chilenischen Dichter unseres Jahrhunderts, Pablo Neruda, ein Stück zärtlicher Erinnerung eines im deutschen Exil lebenden Schriftstellers an sein Land und sein Volk. Er erzählt die Geschichte der Freundschaft zwischen dem Briefträger Mario Jiménez und dem großen Dichter. Mit Hilfe eines Gedichts, das Mario dem väterlichen Freund abringt, gewinnt er das Herz seiner Angebeteten. Die Macht des Wortes, die treffende Metapher, die Poesie wirken Wunder. Als Neruda von der Regierung Allende als Botschafter nach Paris entsandt wird, vergisst er seinen Briefträger nicht. Er schreibt ihm, und dafür schickt Mario ihm auf Tonband die Glockentöne, das Meeresrauschen, die Laute der Tiere und Menschen aus der Heimat. Todkrank kehrt der Dichter nach Chile zurück. Dann kommt Pinochets Putsch - Neruda stirbt und Mario wird abgeholt...

Rudolf Guckelsberger hat Passagen aus Skármetas Roman mit Gedichten von Pablo Neruda zu einem Programm verwoben, in dem Freude und Leid, Poesie und Realismus gleichermaßen ihren Platz finden. Das Duo Favori nimmt die Atmosphäre der Texte auf und verdichtet sie musikalisch mit Werken großer südamerikanischer Komponisten wie Astor Piazzolla oder Alberto Ginastera.

Auszüge aus Rezensionen

Ein köstliches Menü

Die Welt ist eine Metapher. Rudolf Guckelsberger las in der Winnender Reihe „Wort und Ton“ aus dem Roman „Mit brennender Geduld“ von Antonio Skármeta, und wurde dabei zur Stimme des chilenischen Dichters Pablo Neruda, dessen Metaphorik Bilder entstehen lässt: Bilder von leergefegten Marktplätzen, die in der Sommerschwüle der vergangenen Nacht noch erfüllt waren von klapperndem Geschirr, klirrenden Gläsern und tollenden Kindern...

Die Steinmauern des Kellers spiegeln ein Stück Chile – im Widerhall des zurückhaltend leisen, dann wieder fordernd anschwellenden und zuletzt fröhlichen Gitarrenspiels des Duo Favori. Jede einzelne Komponente, für sich schon ein Leckerbissen, zaubert, behutsam aufeinander abgestimmt, ein köstliches Menü. Musik und Literatur gehen eine Symbiose ein. Sie tragen das feurige Chile in den Keller und bieten den Hörern eine garantiert erfolgreiche Behandlung gegen Herbstdepressionen, die es nicht auf Krankenschein gibt...

Rems-Murr-Zeitung

Erzählkunst, die unter die Haut geht

Dass die Veranstaltung trotz herbstlicher Temperaturen zu einer der interessantesten und spannungsreichsten dieses Lienzinger Sommers geriet, hatte mehrere Gründe. Da ist zunächst die faszinierende Sprache Nerudas, dem alles zur Poesie wurde, dem jedes Erzählen zum bilderreichen, ja schwelgerischen Gesang geriet...Nerudas Beobachtungsgabe, sein schmückendes Durchdringen auch der kleinen, einfachen Dinge dieser Welt verleiht uns ein inspirierendes Hören und ihm seine Größe.

Und da ist die Musik von Angel Villoldo, Alberto Ginastera, Luis Borda, Vicente Greco und Astor Piazolla, die eine unglaubliche Geschmeidigkeit und Sinnenhaftigkeit weit weg von allem Prätentiösen und Komplizierten verbindet...

Und schließlich sind da die Interpreten, die es in souveräner Meisterschaft verstanden, ohne Aufdringlichkeit und ohne Pathos ein subtiles Gewebe aus Wort und Musik zu flechten. In schlichtem, dennoch dringlichem Ton mit knapper, aber sicher treffender Gestik und Mimik zelebrierte Guckelsberger eine Erzählkunst, die unter die Haut ging....

Auf diese Weise war ganz natürlich die Brücke geschlagen zu den Klängen der Gitarren, die Frank Armbruster und Barbara Gräsle mit nuancenreicher Agogik, einer faszinierenden Anschlagskultur und traumwandlerisch sicherem Zusammenspiel vorführten...

So erklangen in kongenialer Ergänzung zur Dramatik des Geschehens Astor Piazzollas Tangos mit ihren abrupten Wechseln von Melancholie und ekstatischer Leidenschaft erst gegen Ende einer spannenden Reise in Tönen und Metaphern, die in Isla Negra im Süden Chiles spielte und ein bis zum Schluss gebannt lauschendes Konzertpublikum erreichte.

Vaihinger Kreiszeitung